Meknés

Angeblich gehört es dazu, in Marokko eine Medina zu besuchen. Mein Weg über den Atlas führt mich zu den beiden Königsstädten Meknés und Fés die nach den Berichten einiger Reisender die ich getroffen habe, ein besonderes Erlebnis sein sollten. Ich habe mich heute in einem Riad, einem alten Herrenhaus, das als Gasthaus umgestaltet ist, einquartiert. Mitten in der Medina von Méknes. Zur Erklärung: Medina bezeichnet eine alte Innenstadt. Im Falle von Meknés angeblich aus dem 14. Jahrhundert. Der einzige Vergleich der mir einfällt ist die Winkelgasse von Harry Potter – nur eben mal 100. Ein derart verwirrendes Labyrinth von Gassen, Händlern, Geschrei und Gerüchen habe ich bis jetzt noch nicht erlebt. Um das Riad zu finden, habe ich einen Guide gebraucht, obwohl es von der Hauptstraße und dem abgesicherten Parkplatz nur 300 Meter sind.

Das Riad ist eines der faszinierendsten Orte, die ich bisher besucht habe. Die Freundlichkeit des Empfangs dort ist bisher unübertroffen. Man merkt bei jedem Wort und jedem Blick, wie stolz der Eigentümer auf dieses Haus ist. Es stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist der gepflegteste Ort, den ich in Marokko gesehen habe. Auf der Terrasse hat man einen 360° Blick auf die komplette Medina. Vom Trubel in den kleinen Gassen bemerkt man hier oben nichts, während man diesen herrlichen Ausblick genießt und das Gefühl hat einen Ort zu sehen, den man genau jetzt und genau auf diese Art sehen muss.

Heute Nachmittag startete ich den ersten Versuch die Medina zu Fuß und mit dem Foto zu erkunden. Nach zwei Stunden hatte ich genug. Keine Ahnung, warum jeder das „große Tor“ zur Altstadt sehen muss – es ist verschlossen und wirkt auf mich nicht sonderlich interessant. Das gleiche gilt für die alte Stadtmauer die einfach nur alt ist. In den Gassen zu fotografieren, wäre ein Traum gewesen – doch das vergeht einem sofort, denn man wird als Tourist umgehend von unzähligen Guides belagert.

Selten habe ich etwas so leckeres getrunken wie den marokkanischen Minztee und den frisch gepressten Orangensaft den es in diesem Land gibt. Mittlerweile schaffe ich es auch, den Tee richtig einzugießen und mich in den Cafés an den richtigen Platz zu setzen, nämlich in die letzte Reihe mit Blick nach Vorne. Auch wenn das natürlich Unfug ist und jeder Marokkaner genau sieht, dass ich alles andere als ein Einheimischer bin, fühle ich mich von den Bustouristen und den Birkenstock/Batik-Tussen etwas abgegrenzt. Bei meinem ungepflegten 3-Wochen Bart und meinem neuen Kleidungsstil (Geruch geht vor Sauberkeit), erkennen mich zumindest deutsche Touristen nicht auf den ersten Blick, wenn ich ohne Motorrad unterwegs bin. Das ist verdammt viel Wert, denn die Gespräche gehen immer nur darum, wie das Wetter daheim ist, wo man hier Bier kaufen kann und warum Agadir ganz, ganz toll sein muss.

Die Marokkaner innerhalb der Medina achten auf andere Erkennungssignale als Rasur, Hautfarbe oder Geruch. Geht man innerhalb von 10 Minuten zum zweiten Mal an einem Stand vorbei, hat man gleich 3-4 Guides am Hals, die einem leider sehr aufdringlich die wichtigen Händler zeigen möchten. Was mich jedoch sehr wundert ist die Zurückhaltung der Händler selbst. Bisher hatte ich in diesen Gassen niemanden erlebt, der unangenehm aufdringlich war.

Heute Abend startete ich einen zweiten Versuch, mich mit der Medina und ihren Plätzen anzufreunden. Um einen möglichst genauen Vergleich dessen zu erhalten, was Abends in diesen Gassen geboten wird, stelle man sich einfach vor, die Sportfreunde Stiller geben an einem Laurenzi-Samstag ein Konzert bei dem es Freibier und gratis Hendl gibt und man versucht den Platz direkt vor der Bühne freizuhalten. So in etwa habe ich mich gefühlt, als ich die 300 Meter Gassen bis zum großen Platz in unschlagbaren 40 Minuten geschafft hatte. Abends ist dieser große Platz vor dem Tor ein Phänomen. Jede Menge Menschen verkaufen jede Menge irgendwas. Jedes Café hat Dutzende von Stühlen vor dem eigentlichen Café stehen. Der große Rummel geht solange, bis die Polizei Streife läuft. Plötzlich ist der Platz leer und scheinbar nur die angemeldeten Händler (vier bis fünf) verkaufen weiter. Die Kellner der Cafés stapeln rennend Stühle auf Karren und schieben sie hinter den Laden. 10 Minuten, nachdem die Polizei weg ist, ist der Platz wieder voll, die Stühle stehen wieder wo sie offenbar nicht stehen sollen und alles geht weiter wie gehabt.

Mir ist dieser Rummel einfach zuviel. Ich bin kein Typ für Menschenmassen und auch wenn ich etwas in die marokkanische Kultur eintauchen wollte, muss ich dafür nicht noch einmal in eine Medina gehen. Das Gedränge und der viele Lärm von jeder Seite waren nicht mein Ding. Und weil ich weiß, dass die Frage daheim kommt: Ja, die vielen Schlangenbeschwörer waren ein Problem. Die rennen mit dem Ding auf einen zu, egal wie weit man weg ist. Bisher hat meine Methode, ein tiefes aber lautes „no money“ mit einem aus der Militärzeit übrig gebliebenen Blick ausgereicht, um größeren Schaden bei der Schlange, dem Beschwörer und meiner Psyche zu vermeiden.

Für morgen habe ich keinen Plan, denn Fés werde ich mir nicht wie ursprünglich Angedacht von innen ansehen. Ich werde morgen auf dieser herrlichen Dachterrasse frühstücken, einem der Guides 20 DH in die Hand drücken um mir den Weg zu meinem Motorrad zu zeigen und dann irgendwo hinfahren. Vielleicht mache ich ja ein Praktikum bei einem Schafhirten. So oder so, ich werde auch in Marokko kein Stadtmensch werden.

P.S. Das unsagbar leckere Zeug, dass auf der Straße frittiert, mit Zucker und Honig übergossen wird, sollte man meiden. Schmeckt scheiße gut, schlägt aber wie ein betonbrechendes Geschoss mit Doppelzünder in jedem Stehklo ein. Vielleicht ein Tipp für die nächste Heilfastenaktion im physiopoint: „Blitzfasten – reinigt den Körper in Sekunden“.

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