
Ich bin heute mit dem letzten Tropfen in Agadir angekommen. Nicht Benzin, sondern Schweiß. Eine atemberaubende Strecke liegt hinter mir, dir mir allerdings körperlich viel abverlangt hat. Auf ca. 300km wechselten Landschaft, Menschen und Straßenverhältnisse. Zu Beginn fuhr ich durch eine ehr landwirtschaftlich geprägte Region, die mich zeitweise denken ließ, dass dies alles wenig mit dem Afrika zu tun hat, das man sich vorstellt. Als ich die westlichen Ausläufer des Atlas erreicht habe, bekam ich einen Vorgeschmack dessen, was mich in den nächsten Tagen erwarten wird. Solange ich in Fahrt war ging es einigermaßen. Stand ich, war die Hitze erdrückend und ermüdend. Über wunderschöne aber zeitweise schwierige Straßen überquerte ich die kleineren Bergregionen, bis ich letztlich die bisher schönste Straße erreichte. Ca. 100 km vor Agadir merkte man, dass diese Stadt nicht mehr viel mit Marokko zu tun hat sondern einzig und alleine eine Tourismusregion ist. Nahezu perfekte Straßen, bei denen das Kurvenfahren sogar Talwärts Spaß gemacht hat und ich zeitweise vergessen habe, dass ich mit relativ schwerem Gepäck fahre. Zum ersten Mal verschmolzen Wüste und Meer ineinander. Es waren keine Sandstrände sondern große Sanddünen und Felswände im Wechsel. Ein toller Anblick.
Agadir ist der zweite Schlüssel meiner Reise. Ich befinde mich an einer Kreuzung und muss mich entscheiden, welchen Weg ich nehme. Im Vorfeld habe ich nur wenigen Menschen gesagt, was ich plane oder wo ich hinfahren möchte. Die Option, über Mauretanien in den Senegal zu fahren habe ich nie ganz verworfen. Dakar als Ziel meiner Reise klingt einfach zu gut, als dass ich nicht die ganze Zeit darüber nachdenke, es nicht doch zu tun. Nach meinem dritten Heineken und meinem zweiten Campari in der Hotelbar habe ich mich entschlossen, dass Agadir das südlichste Ziel bleiben wird, was ich auf dieser Tour erreichen werde. Ich werde jetzt ostwärts Richtung Sahara fahren und in ein paar Tagen die Dünen von Erg Chebbi erreichen.
In Agadir werde ich zwei Nächte bleiben, denn ich muss zugeben, dass 3.500 km doch die ein oder andere Spur hinterlassen haben. Meine Tiger könnte vermutlich bis nach Kapstadt durchfahren – ich nicht. Ich sehe aus wie ein Penner, rieche schlimmer und langsam sagt mir mein Körper, dass hier und da was nicht richtig sein kann. [Werbung] Das physiopoint wird mich danach öfter sehen [/Werbung].
Überall wo ich ankomme, werde ich zum Gespräch. Halte ich in irgendwelchen Dörfern um dort etwas zu Essen zu kaufen, bin ich der Fremde, der sofort irgendwie zum Mittelpunkt wird. Manchmal entstehen dadurch Gespräche (oder Gesprächsversuche), manchmal will ich einfach nur schnell weg. Heute ist mir aufgefallen, dass ich auch im Hotel der Fremde bin, den man nicht einordnen kann. Einheimische und Touristen reden über mich. Es fühlt sich nicht falsch an, denn ich zähle mich selbst heute, mit dem ganzen Touri-Luxus den ich mir gönne, nicht zu den Pauschalurlaubern die einen Scheiß auf die Kultur des Islam geben und sich halbnackt am Pool die Titten zurechtrücken. Wohlgemerkt sehr Alte, die tatsächlich zurechtgerückt werden müssen. Das ich mir heute Alkohol gönne scheint in Ordnung zu sein. Neben mir beobachten mich Marokkaner mit Bier auf dem Tisch, was ich in diesen Zauberkasten klopfe.
Auch bisher ist der Kulturschock den mir viele einreden wollten genauso ausgeblieben wie Schäden an meinem Motorrad (mit dem man das ja nicht macht) oder psychische Schäden (weil man das ja nicht alleine macht). Trotzdem gebe ich gerne zu, dass die Zeit alleine mir zunehmend schwerer fällt und ich möchte mich bei all denjenigen bedanken, die das hier lesen. Nicht weil es für Euch interessant ist oder sein könnte, sondern weil es mich manchmal genau dann motiviert, wenn ich etwas Motivation brauche. Bei dem Gedanken fällt mir ein, was ich jetzt in diesem Moment noch viel wichtiger brauche. Und mit einem kurzen „Excuse me Sir“ und dem international gültigen Fingerzeig auf mein leeres Campariglas, werde ich jetzt den Zauberkasten schließen und den Islam mal Islam sein lassen.
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