Chefchaouen und alte Bekannte

Nach einem Frühstück mit diesen genialen marokkanischen Pfannkuchen, die mit Sicherheit einen arabischen Namen haben, und einem herzlichen Abschied von Phillipe und Aileen stand die Tour nach Chefchaouen, einer Stadt in den Bergen des Rifs auf dem Tagesplan. Die Etappe war schön zu fahren und mit nicht mehr als 70km auch schnell bewältigt. Die Suche nach dem Campingplatz war jedoch nicht ohne. Chefchaouen ist eine ca. 30.000 Einwohner große Stadt, durch die man wirklich nicht zweimal fahren möchte. Enge und sehr steile Gassen mit Spitzkehren und verdammt komischen Straßen, die in der Mitte eine Wasserrinne haben. Für Autos kein Problem – mit dem Motorrad recht gefährlich.

Das alles, was ich aktuell fahre, hat mit einer Wüstentour überhaupt nichts mehr zu tun. Das Wetter ist wirklich angenehm, die Straßen sind gut und die Landschaft ist nichts anderes als das, was man in Deutschland aus Mittelgebirgen kennt. Momentan fordern die Etappen – mit Ausnahme der Ortsdurchfahrt von Chefchaouen – nicht sonderlich viel von mir oder der Tiger ab, worüber ich verdammt froh bin. Jetzt, wo es dem Ende dieser Tour 2014 entgegengeht, machen sich einige Problem(chen) doch recht deutlich bemerkbar. Ich glaube ich liege irgendwo bei knapp 6.000 km auf dem Motorrad und von daher möchte ich mich eigentlich gar nicht über ein paar Schmerzen beschweren.

Psychisch – und das schreibe ich nur, weil mir die Frage per Mail immer wieder gestellt wird – geht es mir gut. Das Alleinsein war am Anfang schwer, wurde zeitweise zu einer kleinen Herausforderung aber mittlerweile wurde es zu einer sehr positiven Erfahrung. So richtig alleine ist man ohnehin nicht, denn man trifft genau die Menschen, mit denen man sich nicht darüber unterhält, was man da macht (und warum man das nicht macht) sondern die, mit denen man beim Campen zusammen irgendwo sitzt und ohne Kenntnisse der jeweils anderen Muttersprache sich blendend Unterhalten kann.

Manuel war so ein Beispiel. Ein Spanier, der mir einen Kaffee vorbeigebracht hat, sich neben mich in den Dreck setzte und mit den den Worten „Loco“ auf die Berliner Wohnmobilfahrer deutete, die gerade ihren Teppich vor dem Eingang gekehrt haben, während der Nachbar die Satellitenschüssel ausgerichtet hat. Ich antwortete nur „alemán“ und trank meinen Kaffee. Das am Anfang noch typische „wo kommst Du her, wo fährst Du hin“ unter Motorradfahrern entfällt ab einer gewissen Bartlänge und den erkennbar schmutzigen Klamotten. Jeder hat großen Respekt vor dem anderen und weißt letztlich genau, wo er war und was er alles hinter sich hat. (Die Ausnahme bilden deutsche BMW GS Fahrer mit zwei Koffern, einem Topcase, den Taschen auf den Koffern, den Touratechtaschen für die Sturzbügel und den beiden Rolltaschen quer über dem Rücksitz, die als erstes die drei Fliegen von der Windschutzscheibe kratzen, wenn sie Pause machen.)

Zu meiner großen (freudigen) Überraschung kam kurze Zeit später eine blaue Yamaha XT auf den Campingplatz – es war Martinus, den ich am ersten Tag in Afrika kennengelernt habe. Leider hatte er einen Unfall im Atlasgebirge, als er plötzlich auf eine weggespülte Straße traf und auf eine Piste ausweichen musste. Ihm ist dabei nichts passiert aber sein selbstgebauter Wasserkanister-Behälter ist bei dem Sturz gebrochen.

Es war ein schöner letzter Abend beim Campen. Während Neuankömmlinge – und das habe ich auch so gemacht – am Abend meist in Karten und Reiseführern vertieft den nächsten Tag planen, sitzen die Heimfahrer nach dem Motto „erst das Ross und dann der Reiter“ zunächst am Motorrad und kümmern sich erst danach um das Zelt und sich selbst. Ich musste gestern auch die ersten kleinen Schrauberarbeiten an der Tiger durchführen. Das Schaltgestänge war recht locker, völlig verdreckt und ich konnte nicht mehr in Neutral schalten. Gott sei dank nur eine Kleinigkeit.

Mir wird mehr und mehr bewusst, dass mein kleines Abenteuer sich dem Ende neigt und ich nur noch eine Mini-Etappe vor mir habe, bis ich in Tanger in einem Hotel auf die Fähre warte. Danach werden es etwas mehr als drei Tage auf dem Meer sein und ab Genua sind es noch ca. 900km und eine Tour über die Alpen.

Ich werde mit Sicherheit noch ein oder zwei Blogbeiträge schreiben aber sicherlich wird es darin nicht mehr um schöne Routen oder den Kampf mit Sand und Hitze gehen. Wobei: Wenn mich diese Tour eines gelehrt hat, dann die Erkenntnis, das immer etwas passiert, immer jemand neues Teil dieser Reise wird oder Dinge passieren, weil sie genau zu diesem Zeitpunkt passieren müssen. Spannender Gedanke – ich hoffe ich kann schlafen :)
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